1.
Was hat dir dein Freiwilligendienst bisher persönlich gebracht? (4.
Bericht: Was hat er insgesamt persönlich gebracht?)
2.
Wie würdest du dein eigenes Auftreten im Gastland sowie deinen
Umgang mit kulturellen Unterschieden beschreiben?
3.
Wie ordnest du deine (bisherigen) Erfahrungen im
(entwicklungs-)politischen Kontext ein? Welche Aspekte von
(Entwicklungs-)Politik beschäftigen dich derzeit und warum?
4.
Was nimmst du dir für den weiteren Verlauf deines
Freiwilligendienstes vor? (4. Bericht: Für die Zeit nach dem
Freiwilligendienst als Schlussfolgerung daraus?)
5.
Wie würdest du deine Rolle in der Einsatzstelle beschreiben? Welche
Herausforderungen gibt es und wie gehst du damit um? Welche Ziele
verfolgst du bei der Arbeit in deiner Einsatzstelle?
Es
sollte nun der 84. Tag [2.12.18., mittlerweile 104. Tag] in Uganda sein und abgesehen vom Verlangen
nach Vollkornbrot und den altbekannten Freunden, glaube ich, in
meinem neuen Zuhause angekommen zu sein. Obwohl ich nahezu jeden Tag
etwas zum ersten Mal sehe, tue, esse oder jemanden kennenlerne, fühlt
es sich so an, als gebe es noch viel mehr zu lernen und zu sehen.
Um von
den oberflächlichen Erfahrungen, die vermutlich ohnehin jeder
Tourist macht, in eine andere Ebene des Kennenlernens und des
Austauschens zu gelangen, muss ich mich ein Stück weit von meinen
gewohnten Verhaltensweisen verabschieden. Das fängt schon beim Weg
zur Schule an. Mit meinem typisch effizienzorientierten Gedanken
schreitet mein deutsches Ich auf dem kürzesten Weg zur Schule. Zwar
sehe ich dabei die vielen Menschen, die ihren alltäglichen
Tätigkeiten nachgehen, aber so besteht keinerlei Bindung zu ihnen.
In den
letzten Wochen habe ich versucht, mir stattdessen auch einmal etwas
Zeit zu nehmen und mit dem mobilen Obstverkäufer, dem
Chapativerkäufer, dem Bodafahrer und den Nachbarn auf der Straße
ins Gespräch zu kommen. Plötzlich merke ich, dass jeder von ihnen
wirklich hart für sein Geld arbeitet, oft härter als manch ein
Arbeitnehmer in Deutschland. Man scheint gerne mal 12 Stunden am Tag,
sieben Tage die Woche, 350 Tage im Jahr zu arbeiten. Trotzdem
verdient ein Sicherheitsmann vor einem Bankautomaten nur rund 42€
im Monat und sieht seine Familie auf dem Land ein paar Tage im Jahr.
Wenn ich so etwas höre, fange ich sofort an zu grübeln, woran diese
große Differenz zu Deutschland liegt und wie man sie reduzieren kann
oder ob es überhaupt möglich ist, sie zu reduzieren.
Gerade
im Zusammenhang mit den geringeren Möglichkeiten und dem geringeren
Lebensstandard Vieler, hinterfrage ich meinen gelebten Luxus in
Deutschland und wertschätze ihn sehr. Zwar kann ich auf diesen Luxus
zum Wohle des Klimas verzichten oder ihn reduzieren, aber hier in
Uganda scheinen viele eben diesen Luxus anzustreben. Wie wird sich
das Ganze in den nächsten Jahrzehnten entwickeln? Es steht fest,
dass dieser Planet den von uns gelebten Luxus nicht für jeden
bereitstellen kann. Damit die ärmsten Bevölkerungsschichten ein
wenig mehr Luxus bekommen, müssen die reichsten Schichten folglich
auf etwas verzichten. Kann das überhaupt politisch durchgerungen
werden? Da stellen sich doch alle quer.
Als
Weißer werde ich von den meisten Leuten selbstverständlich als
Reicher eingestuft. Vergleicht man das Durchschnittseinkommen von
rund 50€ mit dem Geld, das mir monatlich zur Verfügung steht, und
den laufenden Kosten (Miete, Fahrtkosten, etc.), bin ich auch reich.
Natürlich möchte ich nicht auf mein Geld reduziert werden. Wegen
meiner Wertevorstellungen und wegen dieser Vorurteile bemühe ich
mich, jeden Menschen, der mir begegnet, mit Respekt auf Augenhöhe zu
begegnen. Im Sprachkurs lerne ich Luganda, in der Nachbarschaft setze
ich mich häufig dazu, quatsche mit ihnen und grüße bekannte
Gesichter. Ich möchte einfach höflich sein, auch wenn ich mal keine
gute Laune habe. Kleinere Gestiken wie beim Handgeben versuche ich zu
verinnerlichen. Mein Geld lasse ich so gut es geht nicht
heraushängen. Ich kann mich gut mit der Erklärung retten, dass ich
ja kein Gehalt bekomme, sondern die entstehenden Kosten vom
deutschen Staat und den Spendern gedeckt werden. Danach geht bei
vielen ein Licht auf: Nicht jeder Weiße hier kann mit dem Geld um
sich werfen. Glaubt man den Dingen, die ich über zwei Ecken über
mich gehört habe, scheine ich schon jetzt in meinem Viertel aus dem
Schatten des Klischee-Weißen, der wohl möglich auch noch ständig
unkontrolliert Party macht, gesprungen zu sein. Andere Weiße nehmen
sich angeblich nicht die Zeit, sich zu seinen Nachbarn zu setzen, Tee
zu trinken, Gemeindetreffen zu besuchen und so weiter. Man lebe
aneinander vorbei. Das möchte ich nicht.
Kulturelle
Unterschiede nehme ich gar nicht so sehr wahr. Es scheint, als wären
sie mittlerweile Alltag. Ich nehme sie so hin, wie sie sind und komme
damit auch gut zurecht. Viele von ihnen kann ich sogar sehr
wertschätzen. Diejenigen, die vielleicht nervig sind, lasse ich
größtenteils so stehen. Konstruktiver ist es ohnehin, die
Gemeinsamkeiten zu suchen.
Wie
bereits erwähnt, interessieren mich aktuell besonders die kommenden
Jahrzehnte. Wo wird Uganda dann stehen? Wie wird es sich bis dahin
verändern? Dabei stelle ich mir auch die Frage, ob es nicht einfach
besser wäre, Uganda Uganda sein zu lassen und eben nicht von Seiten
der USA, Europa und China kontinuierlich in der Politik und nahezu
allen Aspekten des Lebens herumzupfuschen. Wenn nämlich ständig
Geld und Einfluss aus dem Ausland kommt, wird derjenige an der Macht
bleiben, der sich diese Geldgeber am besten zu Nutze macht und nicht
der, der mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Land regiert
und verbessert.
Andererseits
scheint im Beispiel Rwandas das Geldgeben auch positive Aspekte zu
haben: im ganzen Land frisch ausgebaute Straßen, staatlich
registrierte und kontrollierte Transportmittel und solidere
Voraussetzungen, ein Unternehmen zu gründen.
Bevor
die Frage nach dem Richtig oder Falsch in Bezug auf das Geldgeben
geklärt ist, bin ich definitiv der Meinung, dass das Konzept des
Freiwilligendienstes gut ist. Hier wird das Geldgeben und
Manipulieren im größeren Maßstab außen vor gelassen und lediglich
auf kleinster Ebene in den Dialog und Austausch getreten und
Freundschaften geschlossen. Es gibt kein Gefälle, man befindet sich
als gemeinsame Mitarbeiter in einer Schule auf einem Niveau.
In den
nächsten Wochen möchte ich in möglichst kurzer Zeit ein wenig von
den anderen ostafrikanischen Ländern sehen, um Uganda und Kampala
besser in einen Kontext rücken zu können. Direkt im Anschluss werde
ich meine Zeit der Fertigstellung der neuen Schule in Mpigi widmen,
sodass die erste Klasse im Februar zügig in den ersten Term starten
kann. Ich hoffe, dass auch dort in den kommenden Jahren weitere
Freiwillige eingesetzt werden können.
In
Kampala hoffe ich, dass mir noch mehr simple Ideen, die den
Schulalltag dauerhaft verschönern, einfallen. Die selbstgebauten
Memory Spiele und die selbstgebauten Schachbretter scheinen sich
bereits fest etabliert zu haben. Auch wenn ich das Projekt verlasse
und ein Brett kaputt geht, werden die Kinder und die anderen Lehrer
wissen, wie man die Teile ersetzt und nie vergessen, wie man die
Spiele spielt. Zudem werden selbstgebaute Spiele mehr wertgeschätzt
als gekaufte. Seit einigen Wochen muss ich die Spiele gar nicht mehr
erklären, denn die Kinder bringen sie sich nun gegenseitig bei. In
Dame gewinne ich nun auch gar nicht mehr.
Außerdem
hoffe ich, auch noch mehr von der Kommunalpolitik, wie in dem
Gemeindetreffen, mitzubekommen und noch mehr einer von Vielen zu
werden. Mithilfe des Blogs und persönlichen Nachrichten möchte ich
zudem weiterhin die altbekannten Afrika-Klischees richtigstellen und
im besten Fall verwerfen. Manche Leser im Bekanntenkreis hatten oder
haben bisher keine andere Perspektive von Uganda als die Gräueltaten
der Vergangenheit und die allgegenwärtige Armut, Hunger, Gewalt und
Krankheiten ohne Ärzte. Man soll auch die Fortschritte und positiven
Aspekte sehen können.
Im
Projekt bin ich definitiv ein vollwertiger Teil der Crew geworden.
Das Schöne ist, dass keiner über einem anderen stehen soll. Trotz
des sehr bescheidenen Schulgebäudes fühle ich mich dort sehr wohl
und bleibe auch gerne mal länger und koche mit den anderen in der
Schule. Abgesehen von ungefragt ausgeliehenen Schachbrettern und
verlorenen Figuren gab es für mich bisher keine Probleme oder
Konflikte.
---Das hier war der erste Bericht von vieren, die ich nach jedem Quartal zur Selbstreflexion schreiben muss. Fragen?