Brian, Leo, Rama und Alex (v.l.) nach einem langen Tag des Pflanzens. |
Nach einer ganzen Weile ohne Post, hier mal die 3. Reflexion zum Freiwilligendienst. Gleich folgt auch noch ein Interview mit Moshin.
1.
Was hat dir dein Freiwilligendienst bisher persönlich gebracht? (4.
Bericht: Was hat er insgesamt persönlich gebracht?)
2.
Wie würdest du dein eigenes Auftreten im Gastland sowie deinen
Umgang mit kulturellen Unterschieden beschreiben?
3.
Wie ordnest du deine (bisherigen) Erfahrungen im
(entwicklungs-)politischen Kontext ein? Welche Aspekte von
(Entwicklungs-)Politik beschäftigen dich derzeit und warum?
4.
Was nimmst du dir für den weiteren Verlauf deines
Freiwilligendienstes vor? (4. Bericht: Für die Zeit nach dem
Freiwilligendienst als Schlussfolgerung daraus?)
5. Wie
würdest du deine Rolle in der Einsatzstelle beschreiben? Welche
Herausforderungen gibt es und wie gehst du damit um? Welche Ziele
verfolgst du bei der Arbeit in deiner Einsatzstelle?
Die
zweite Hälfte ist nun schon in der zweiten Halbzeit. Nach nun 276
Tagen im Kontinent, befindet sich die Zeit danach schon in greifbarer
Nähe. Dank der Entscheidung, in meiner Heimatstadt Göttingen zu
studieren, hat die Wohnungssuche mit der Hilfe von Freunden schon ein
frühes Ende gefunden. Weil die Rückkehr jetzt schon so scheinbar
nahe liegt, kreisen die Gedanken spürbar mehr um das Studium
(Bewerbungsfristen haben begonnen) und die Zeit nach dem
Freiwilligendienst.
Meine
bisherige persönliche Bereicherung habe ich auch als Übung am Ende
des Zwischenseminars im Februar zusammengetragen. Und wenn ich mir
die Liste so ansehe, ist das eine ganze Menge. Ich zähle mal ein
bisschen auf: Luganda, Verhandeln (ich bin gespannt auf meinen
nächsten Flohmarkt), Einfinden und Einleben in Großstädten,
Rezepte, Freunde, intensive Einblicke in höhere und niedrigere
Gesellschaftsschichten in Kampala, Orte, Vegetation, reflektiertere
Weltsicht, usw. Die Liste ist noch länger und wird sich garantiert
bis zum nächsten und letzten Bericht noch erweitern. Insgesamt kann
ich sagen, dass der Freiwilligendienst mir nach wie vor die
Möglichkeit bietet, in unterschiedlichsten Facetten Einblicke zu
bekommen, die so vermutlich nie wieder möglich sein werden. Weder
als zukünftiger Tourist, noch als jemand, der hier mal arbeiten
wird. Dafür bin ich sehr dankbar. Besonders auch, weil es für jede
Bevölkerungsschicht in Deutschland möglich gemacht wird.
Aktuell
nerven mich ein paar kulturelle Unterschiede. Vor zwei Wochen hat das
zweite Trimester begonnen und selbst heute sind die Klassenräume
erst halb voll. So kann immer noch nicht ernsthaft mit dem Stoff
angefangen werden. Ich nutze die überschüssige Zeit nun, weiter mit
meinen Schülern Schach, Dame und andere strategische Kartenspiele zu
spielen.
Als
ich neulich mit einem Freund einkaufen gegangen bin, rief ihm ein
bekannter Bodafahrer zu, er möge ihm doch ein bisschen Geld geben.
Er habe ja nun Geld, denn er laufe mit einem Weißen. Selbst jetzt
noch werde ich ab und an von Nachbarn gefragt, ob ich ihnen nicht
eine Soda oder eine Banane ausgeben könnte. Solche Situationen sind
keineswegs neu, aber selbst nach der Versicherung, das sei nur ein
Spaß oder Witz, sehe ich das ganz anders. Solche Bemerkungen
enthalten Rassismus (in diesen Fällen gegen Weiße). Gegen solche
Denkstrukturen kann ich wenig machen, ich muss locker damit umgehen
und sie auch als Witz behandeln.
Diese
Regenzeit, so hatte ich den Eindruck, kam erstaunlich langsam und
spät. Es hat zunächst einen Monat nicht oder kaum geregnet. Die
Preise für Gemüse, wie etwa Tomaten, sind gestiegen, selbst Bohnen
und Milch wurden teurer. Dabei frage ich mich, ob das schon
Auswirkungen der Klimakrise sind oder, ob der größere Einfluss von
den mangelnden Wäldern kommt. Seit geraumer Zeit verfolge ich die
Geschehnisse der Weltpolitik, mit einem besonderen Augenmerk auf
Europa. Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass das
Aufhalten der Klimakrise mit Abstand das wichtigste Thema ist und
auch für die Weltpolitik sein sollte. Wenn der Kurs der
Bundesregierung und den meisten anderen Staaten beibehalten wird,
sind mit hunderten Millionen Geflohenen und Milliarden von
Umsiedlungen zu rechnen. Kein anderes Problem kann dann noch in Ruhe
und mit Zeit behandelt werden. Deshalb bin ich der festen
Überzeugung, dass Klimapolitik mittlerweile die bessere und
wichtigere Entwicklungspolitik ist.
Noch
sind es aber knapp drei Monate und der Schwerpunkt meiner Kraft und
Zeit soll weiterhin in das Zweitprojekt des PCCP in Mpigi fließen.
[Interview mit Moshin auf: leonardkehlenbeck.blogspot.de] Dort kann
ich mich nicht nur so praktisch wie überhaupt möglich mit
Aufforstung, Permakultur und Bewirtschaftung von (Frucht-)Wäldern
beschäftigen, sondern auch wirklich dauerhafte Auswirkungen auf das
Leben der Leute und Schüler dort haben. Ich habe deshalb in den
letzten Monaten manchmal eine Woche am Stück dort verbracht. Ich
kann nun davon ausgehen, dass der Bereich vor dem Schulgebäude
wirklich gut wachsen und ein wunderbares Arbeitsklima schaffen wird.
Im wahrsten Sinne des Wortes. Weil ich aber im besten Fall nur einmal
die Woche am Wochenende dort sein kann, fällt es mir schwer, auch
den Rest des Geländes zu bepflanzen und mit der nötigen Pflege zu
versehen. Also wiederhole ich meine Forderung nur zu gerne: Schickt
ökologisch interessierte Freiwillige nach Mpigi. Es lässt sich
problemlos ein gut ausgestattetes Haus (für Freiwillige und Lehrer)
auf dem Gelände bauen. Miete fiele dann auch nicht an. Der
Stromanschluss solle laut Regierung auch bald kommen.
Im
Projekt in Kabalagala (Kampala) läuft neben dem üblichen Unterricht
nun wieder Schach an. Ich habe mit der vierten Klasse zero-budget
Schachbretter aus Stoff und Plastikdeckeln gebastelt. Leider hat die
Mehrheit die schon wieder verloren oder jemand hat sie geklaut. Ich
hatte die Hoffnung, dass, wenn jeder sein eigenes hat, sich besonders
gut darum gekümmert wird. Die gekauften Bretter sind inzwischen gar
nicht mehr aufzufinden. Es wurden jetzt aber die Bretter aus Holz,
Moshin sei Dank, mit Glas und einem Rahmen versehen. Dadurch sind sie
stabil und schwer genug, um nicht verloren zu gehen. Wir lagern sie
nun auch besser, sodass auch bisher keine Figuren verloren gegangen
sind. Deckel lassen sich auch gut ersetzen.
Also
auf in den Endspurt. Ab jetzt genieße ich die Früchte, den Regen,
die Eigenarten und das unifreie Leben noch einmal besonders.
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